Wohnungsmarkt Schweiz: Steigende Mieten trotz Corona?
Die Mieten in der Schweiz müssten sinken, und das vor allem in Zeiten von Corona. So denken viele Schweizer, doch tatsächlich stiegen die Mieten im Jahr 2020 erneut, und das trotz Corona. Woran das liegt und warum sich diese erstaunliche Tatsache bei genauerer Betrachtung relativiert, erklären die folgenden Überlegungen.
Allgemein gilt: Je grösser das Angebot und je geringer die Nachfrage, desto niedriger sind die Preise. Das Angebot auf dem schweizerischen Wohnungsmarkt steigt bereits seit Längerem. Sogar die Pensionskassen investieren seit Jahren in den Bau von Mietwohnungen als Renditeobjekte, da aufgrund der Negativzinsen kaum risikoarme Alternativen bestehen.
Dann kam die Corona-Pandemie und damit auch die Unsicherheit, vor allem in finanzieller Hinsicht. Man müsste also meinen, die Nachfrage auf dem schweizerischen Wohnungsmarkt sei dadurch noch weiter gesunken. Dem gegenüber steht jedoch die Aussage der Erhebung des Bundes, dass die Mieten im Jahr 2020 weiter gestiegen sind. Das klingt auf den ersten Blick paradox, lässt sich jedoch bei genauerer Betrachtung der Untersuchungen erklären.
Verschiedene Sichtweisen, verschiedene Modelle, verschiedene Ergebnisse
Um die pauschale Information "Mieten steigen" zu bewerten, ist zu beachten, wie und von wem die entsprechenden Daten erhoben und ausgewertet wurden.
Auf der einen Seite steht der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz. Dieser beruft sich auf den offiziellen Mietpreisindex des Bundesamtes für Statistik (BFS). Der Index stieg im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass im Jahr 2020 in der Schweiz im Schnitt 0,9 Prozent mehr Miete gezahlt wurde als im Vorjahr.
Auf der anderen Seite stehen Immobilienberatungsfirmen wie IAZI oder Wüest Partner. Diese stellen den offiziellen Mietpreisindex des Bundes in Frage, da dieser nicht zwischen Grösse der Wohneinheiten, Wohnqualität, Standort sowie Bestands- und Angebotsmieten differenziert. So würden laut IAZI die meisten Menschen in der Schweiz etwa sieben Jahre lang die gleiche Wohnung mieten, ohne dass eine Mieterhöhung verlangt wird.
Die Mieten bei Neubezügen oder Erstbezügen nach Sanierung sind laut IAZI allerdings tatsächlich gestiegen. Das geht aus dem Swiss Real Estate Offer Index hervor, der von ImmoScout24 und der IAZI AG herausgegeben wird. Dieser Index wies im Jahr 2020 eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von durchschnittlich 1,1 Prozent auf. Allerdings ist auch dies nur ein statistisches Modell. Die Firma Wüest Partner stellte in eigenen Betrachtungen sogar einen leichten Preisrückgang der Angebotsmieten fest.
Was stimmt denn nun – steigen die Mieten oder nicht?
Dass die Experten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, liegt daran, dass in jedem Berechnungsmodell die Einflussdaten unterschiedlich gewichtet werden. Mit nur einem Index die Situation für die gesamte Schweiz abbilden zu wollen, ist gewagt. Auch ist nicht zielführend, darüber zu streiten, welche Indexvariante dafür am besten geeignet ist. Sowohl der offizielle Mietpreisindex des Bundes als auch die Berechnungen einzelner Privatunternehmen haben ihre Stärken und Schwächen. Deshalb liefert die Betrachtung mehrerer Ansätze oft die beste Antwort.
Festzuhalten ist: Die Mieten steigen in gewohntem Ausmass. Letzten Endes - und darüber sind sich alle einig - hat Corona den Mietmarkt in der Schweiz nicht verändert. Überhaupt ist der Mietwohnungsmarkt von Natur aus wenig volatil, sondern eher stabil. Die Mieten steigen also trotz Corona, allerdings in einem normalen Umfang.